Jazz Treff Karlshorst

Beitrag unseres Ehrenvorsitzenden Karlheinz Drechsel zum 25. Vereinsjubiläum 2017

Hier an diesem jazzhistorischen Ort – eigentlich begann alles im ehemaligen Kreiskulturhaus Lichtenberg schon in den 70ern mit Dixieland – präsentieren wir im neuen Kulturhaus Karlshorst in Zusammenarbeit mit dem Amt für Weiterbildung und Kultur unseren Jazz zum Hören und Tanzen in drei Kategorien:

„Jazz now“ steht für „moderneren“ Jazz in allen Facetten mit großen Namen, während wir in der Reihe „Classic Jazz“ mit dem ganzen Spektrum des traditionellen Jazz aufwarten.

Auch in unserer jüngsten Reihe „Blues & Boogie“, die sich in kurzer Zeit sehr großer Beliebtheit erfreute, bitten wir zum Tanz!

Neben unseren drei Reihen führen wir schon seit langem sehr gefragte Veranstaltungen wie die „Nachlese vom Internationalen Dixilandfestival Dresden“ durch, wobei sich bei uns inzwischen die Jazz-Prominenz aus ganz Europa, Amerika , Afrika, Australien und Asien präsentierte.

Sehr beliebt sind ebenso Veranstaltungen zu speziellen Themen des Jazz, wie z.B. der Videoabend.

Seit 2013 führen wir nun auch jedes Jahr im April den „Monat des Jazz“ durch.

Begleitet werden die wöchentlichen Veranstaltungen durch jazzthematische Fotoausstellungen unserer professionellen Vereinsfotografen.

Wir fördern im Rahmen unserer Programme auch unterschiedliche Kinder- und Jugendbands.

​Jeden Sommer geht es mit Jazzmusikern sowie Speis´ und Trank stimmungsgeladen auf das Wasser.

Für jeden Jazzfan ist also etwas dabei und deshalb treffen nun bei uns jüngeres und reiferes Publikum in diesem Schmelztiegel des Jazz vor der internationalen Jazzbühne in der intimen Atmosphäre des Kulturhauses aufeinander. Oder eben auch auf dem Wasser in der Natur. Schauen Sie bei uns herein! Wir freuen uns auf Sie.

Es fing so harmlos an . . .

Jeder historische Rückblick hat einen spezifischen Aufhänger je nach Autorensicht. Ich sehe für meinen Beitrag als Auftakt die unmittelbare Nachkriegszeit, Mai 1945. Laut Potsdamer Abkommen waren die sowjetischen Siegertruppen in Ostberlin und in Ostdeutschland stationiert, für sie wurde der Stadtteil Berlin-Karlshorst zum Hauptquartier auserkoren. Hier wurde die deutsche Kapitulation unterzeichnet.

Für Karlshorst und seine Bewohner ergaben sich naturgemäß in der Folgezeit viele Verän­derungen und Neuerungen. So wurde die an der Ecke Treskowallee / Dönhoffstr. gelegene Tanzgaststätte mit Saal nun von sowjetischen Offizieren genutzt. 1966 wurde das Haus unter die Verwaltung des Stadtbezirks Lichtenberg zurückgegeben und nun als Kreiskulturhaus Lichtenberg (KKL) betrieben. Daraus entstand schließlich nach 1990 das heutige Kulturhaus Karlshorst.

Im KKL entfaltete sich ein reges kulturelles Leben, die Akzeptanz durch die Bevölkerung wuchs rasch. Großer Beliebtheit erfreuten sich die regelmäßigen, öffentlichen, immer ausverkauften Wochenend-Tanzabende. So entstand die Idee, zur Abwechslung auch einmal Dixieland-Sondertanzabende zu präsentieren, nur halbjährlich(!) im Wechsel zwischen „Papa Binnes Jazzband” und dem „Jazz Collegium Berlin” mit der Sängerin Ruth Hohmann. Leider ging diese Idee zunächst nicht auf – kein Publikumsinteresse. Wie sollte man zu dieser komischen Musik tanzen? Unter Dixielandfreunden sprach sich die Neuerung jedoch herum, und mit einem sich wandelnden Publikum wurden die Dixie-Abende der 70er Jahre dann ein grandioser Erfolg, sogar derart intensiv, dass sie bald vierteljährlich stattfanden. Auch hier wurde „ausverkauft” zur Regel. Das wiederum führte dazu, an den Abenden jeweils zwei Bands auftreten zu lassen und außerdem einen speziellen Jazzkonzertteil einzuführen – mit mir als Moderator, womit 1978 meine „Karlshorster Zeit” begann.

Im Januar 1977 fand erstmals ein Großkonzert zum Jahresauftakt statt. Auf dem Bühnenhintergrund erstrahlte das Motto:

JAZZ FÜR SIE – DIXIELAND.

Die riesige Nachfrage bewog dazu, ab 1978 gleich drei Jahresauftaktkonzerte mit Dixieland zu veranstalten, bis drei Uhr morgens, regelmäßig mit abschließender Jamsession. Und getanzt wurde immer! Die monatlichen Dixielandveranstaltungen waren wunderbar ins Laufen gekommen und immer ausverkauft! Dabei zeigte sich das Publikum nicht etwa jugendlich, im Gegenteil, man könnte von einem Treffen der vergessenen Generation sprechen. Es entstanden unter den Dauerbesuchern neue Freundschaften, ein Dixielandstamm kam quasi zur Blüte. Enthusiasten wurden zu Helfern und Werbeträgern, etwa Klaus Engelmann, Diethard Kaliski, Hajo Müller, Herward Basse oder Wolfgang Zywietz. Sie waren Begründer der heiß begrüßten Riverboat-Shuffles und Dixiefahrten per Eisenbahn. Zu den sonnabendlichen Großveranstaltungen gaben sich alle Ostberliner Dixielandbands die Klinke in die Hand, letztlich ergänzt durch Amateurbands aus Dresden, Leipzig, Weimar, Zwickau, Halle, Jena und Königs Wusterhausen. Die Dresdner „Blue Wonder Jazzband” ent­wickelte sich zu einem wahren Favoriten des Publikums bis heute! Mit dem Berliner Sinti-Swing-Ensemble zog als neue musikalische Schiene der Swing ins Programm. Und der vielbejubelte Dresdner Pianist/Sänger Thomas Stelzer (Trio, Band) brachte uns den Blues als neue, seither feste Variante ins Haus.

Ich selbst hatte 1975 mit Jazzvorträgen begonnen, die auf Anhieb ihr Liebhaberpublikum fanden und heute per Videopräsentation noch immer gefragt sind. Meine persönliche, enge Verflechtung mit dem Internationalen Dixielandfestival Dresden machte es möglich, jeweils am Montag nach dem Festival für „kleines Geld” inter­national namhafte Bands oder Solisten zu uns zu holen, so entstand die noch immer sehr beliebte „Dresden-Nachlese” als Sonderveranstaltung. Hierbei war von Bedeu­tung, dass die in Dresden aktiven „Westgruppen“ auch im KKL spielen durften (was uns ja sonst generell verboten gewesen ist), denn diese Bands wurden offiziell über die Künstleragentur der DDR engagiert.

Den ungewöhnlich stark besuchten Auftakt gab 1981 die Hamburger „Mountain Village Jazzband”, 1982 wurde dann der Hamburger Boogie-Woogie-Pianist/Sänger Vince Weber enthusiastisch gefeiert. In der Folgezeit hatten wir Gäste aus Ungarn, Polen, Frankreich, England sowie aus der BRD, CSSR, UdSSR und natürlich auch aus der DDR.

Die finanzielle Abdeckung aller Dixiekonzerte erfolgte mit Hilfe der Eintrittsgelder und nicht unbeträchtlich durch den Kulturfonds des Kreiskulturhauses Lichtenberg. So verliefen die 70er und 80er Jahre ausgesprochen fröhlich und unbeschwert, manchmal sogar (inoffiziell) mit Westberliner Musikern wie z.B. „Umbrella Jazzmen”, die ganz offiziell per Passierschein mit ihren Instrumenten nach Ostberlin (Karlshorst) gekommen waren, aber bis Mitternacht wieder an der Grenze ausreisen mussten.

Nach der „Wende“ im November 1989 war dann das ökonomisch sichere KKL-Dasein plötzlich vorbei. Mit der Abwicklung der DDR-Strukturen 1990/91 erhielt das KKL den Namen Kulturhaus Karlshorst, es untersteht nach wie vor dem Bezirksamt Lichtenberg.

Westberliner Musiker und Jazzfreunde, die seit November 1989 in großer Zahl zu unseren Jazzabenden kamen, empfahlen uns die Gründung eines gemeinnützigen Vereins, um auf diese Weise sogar mit finanziellen Vorteilen die Jazzaktivitäten fortsetzen zu können. Unser damaliger Kulturhausleiter Jürgen Ast, dem die Karlshorster Jazzfreunde sehr viel zu verdanken hatten, packte ohne Umschweife zu und lud für den 29. 08. 1991 zur Gründungsversammlung des JAZZ TREFF KARLSHORST e.V. (JTK) ein. Die „Altgedienten”, d.h. die zehn Aktivsten der Dixieland-Veranstaltungen kamen zusammen, man wählte mich zum 1. Vorsitzenden und Jürgen Ast zum 2. Vorsitzenden. Die Eintragung in das Vereinsregister beim Amtsgericht Berlin-Charlottenburg erfolgte am 22.04.1992, womit der JAZZ TREFF KARLSHORST e.V. seine Dokumentierung erhielt und sich das diesjährige 25. Vereinsjubiläum ableitet.

Mit der Vereinsgründung ging aber nicht nur Positives einher. Plötzlich gab es Wahlversammlungen, neu war der Mitgliedsbeitrag, manches wurde teurer, und der heiß geliebte Dixieland reihte sich jetzt in die vielen Spielarten des Jazz ein, er stand nicht mehr im Mittelpunkt.Ein Jazzverein muss eine derartige musikalische Vielfalt berücksichtigen, ob es gefällt oder nicht. Leider haben wir dadurch Freunde und aktive Mitglieder verloren, aber einen goldenen Mittelweg gibt es leider nicht.

Seit 1993 ist Michael Leonhardt Mitglied und von Anbeginn im Vorstand aktiv als Mann der Finanzen und außerdem überall dort im Einsatz, wo Not am Mann ist, quasi ein unentbehrliches Juwel.

1998 gab ich den Vereinsvorsitz ab und bin seitdem Ehrenvorsitzender.

An meine Stelle trat Heinz-Georg Schubel; er hat mit großem Engagement bis 2012 (14 Jahre!) vielerlei mitbewirkt und mitbewegt.

Und nun zeigt seit 2012 Dr. Frank Welskop als 1. Vorsitzender die Meisterung oft schwieriger Aufgaben: 2010 erfolgte der Abriss des Kulturhauses, an das man sich als Wochenend-Domizil so sehr gewöhnt hatte, für viele leider ein „Abschluss”.

Der uns vom Bezirksamt Lichtenberg zugewiesene zeitweilige Ersatz, die Max-Taut-Aula am Nöldnerplatz, war für unsere Zwecke wegen ihrer Größe und Akustik wahrlich nicht geeignet. So kamen Dixieland, den es ja auch weiterhin zum Tanzen gab, Bigband-Musik und jazzige Großveranstaltungen in die Aula, während im relativ schnell erbauten neuen Kulturhaus Karlshorst, das an alter Stelle entstanden ist, parallel ab 2012 ausschließlich Spielarten des modernen Jazz ihren (zunächst leider nicht gut besuchten) Platz fanden.

Seit 2016, nach Aufgabe der Taut-Aula, sind wir nun mit sämtlichen Veranstaltungen im neuen Haus vertreten. Die musikalische Vielfalt mit Tradition, Blues, Swing und Moderne wird inzwischen akzeptiert. Der moderne, aber leider zu kleine Saal mit grandioser Akustik wird zunehmend zur Heimstatt.

Zeitgleich mit Dr. Welskop wurde der professionelle Musiker Lutz Fußangel zum 2. Vorsitzenden berufen. Er wurde an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ ausgebildet, ist ein erstklassiger Musikpädagoge sowie ein großartiger Jazzmusiker auf Sopran- und Tenorsaxophon. Die von ihm geleiteten Nachwuchs (Kinder)-Jazzorchester belegen in ihrem Altersbereich in Berlin Spitzenplätze, auch die von ihm gelegentlich speziell zusammengestellten modernen Jazzformationen weisen ausnahmslos eine hohe Qualität auf.

Für weitere unseren Verein schmückende Arbeiten engagierten sich etliche Mitglieder über Jahre hinweg:

Rainer Schach verdanken wir seit 1994 die jährliche CD-Produktion mit dem Jahresrückblick unserer Musikveranstaltungen. Damit werden wir daran erinnert werden, dass der JTK Künstler aus allen Teilen der Welt zu Gast hatte: Argentinien, Australien, Bulgarien, Chile, Dänemark, England, Frankreich, Indonesien, Island, Italien, Kanada, Kuba, Lettland, Madagaskar, Niederlande, Nigeria, Österreich, Polen, Schottland, Schweden, Schweiz, Slowakei, Südkorea,

Tschechien, Ungarn, Ukraine, USA.

Wie nie zuvor stießen seit 2013 auch die tollen Jazzfotoausstellungen im neuen Kulturhaus Karlshorst auf so großes Interesse (und sie waren auch nie zuvor so gut gestaltet). Unser Vorstandsmitglied Gerhard Metzschker, Kurator der Ausstellungen, präsentiert gemeinsam mit den Fotografen Volkhard Kühl (Bildjournalist) und Georg Schubel zum jährlich stattfindenden „Monat des Jazz“ Bilder aus der internationalen Jazzszene.

25 Jahre JAZZ TREFF KARLSHORST E.V. sind gewichtig und inhaltsreich, beinhalten Hoffnung und Enttäuschung, ungezählte Aktivitäten und ein Höchstmaß an Optimismus, immer im

Interesse des Jazz und für unseren Verein.

Karlheinz Drechsel